20. November 2004 20:00 Uhr
Literarisches Zentrum (Düstere Straße)
My first Song oder digitale Filmbefreiung
Nach den Dreharbeiten zu DER FELSEN habe Dominik Graf verstanden, was Regiekollege Lars von Trier damit meinte, dass die Dogma-Filmer abends immer fröhlich nach Hause kämen. – Sie haben dann nämlich alles! Kein Entwicklungsbad mehr. Der Film auf dem Chip, samt Ton und das auch ganz schön billig. Die digitale Videotechnik, die DV-Kamera aus dem Warenhaus eröffnet neue Erzählweisen. Der sonst träge Filmtross verwinzigt sich zu einem behänden Team. Passanten werden unbemerkt zu Komparsen. Man dreht fast dokumentarisch. Die Bilder haben eine scheinbare Unwertigkeit, nicht mehr diese Cinemascope-Bedeutsamkeit. Filter verfremden das Befremdende. Und die handgelenkleichte Kamera kann schweben als hätte sie Tai-Chi gelernt. – Graf hat mit Filmen wie TIGER LÖWE PANTHER, DIE KATZE oder auch TATORT: FRAU BU LACHT Standards gesetzt und Genres ausgeweitet. Als er mit dem Kamerakünstler Benedict Neuenfels (BUNTE HUNDE) vor der Wahl stand, den Kinofilm DER FELSEN aus Finanzierungsgründen entweder nicht oder digital zu drehen, entschieden sie sich erstmals für das Experiment mit der Sony-DV.
Nach Tragikomödien (SPIELER), Gegenwartsthrillern (DIE SIEGER), Heimatgrotesken (DOKTOR KNOCK) und Essays (DAS WISPERN IM BERG DER DINGE) hat Graf sich zuletzt großen, eingedunkelten Frauenporträts (DEINE BESTEN JAHRE und KALTER FRÜHLING), mystischen Erzählungen (DIE FREUNDE DER FREUNDE) und Zuhälterstudien (HOTTE IM PARADIES) zugewandt. Oft digital, mehrfach mit dem mehrfachen Träger des Deutschen Kamerapreises Benedict Neuenfels. – Ein Abend mit Ausschnitten und Fragen von Mathias Mertens (Medienwissenschafteler, Giessen) und Hauke Hückstädt.